Nachhaltigkeits-Sieger Naturstein: Interview mit Reiner Krug (DNV)
Wie nachhaltig ist Naturstein wirklich? Der Deutsche Natursteinverband (DNV) hat mehrere Ökobilanzstudien zu Bodenbelägen und Fassaden erstellen lassen. Das Ergebnis: Naturstein schneidet in der Umweltbilanz hervorragend ab. Im Interview spricht DNV-Geschäftsführer Reiner Krug über die neuesten Erkenntnisse, die Rolle von Naturstein im Bauwesen und die Chancen für nachhaltiges Bauen.
Der Beitrag passt zu unserem Engagement für verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Einen Überblick über alle Nachhaltigkeitsfelder bei NGR finden Sie hier: Nachhaltigkeit bei NGR →

Der Deutsche Natursteinverband: Stimme der Natursteinbranche
Der Deutsche Natursteinverband (DNV) repräsentiert rund 80 % der Natursteinbetriebe in Deutschland. Er ist Herausgeber der bautechnischen Informationen für die Verlegung von Naturstein und berät seine Mitglieder ebenso wie Architekten, Planer und Bauherren in allen Fragen rund um Naturstein im Bauwesen.
Darüber hinaus wirbt der Verband für Naturstein als hochwertiges Baumaterial, unter anderem über den renommierten Deutschen Natursteinpreis. In verschiedenen Gremien wirkt der DNV an Normen und Richtlinien mit und vertritt dort die Interessen seiner Mitglieder.
Im Gespräch gibt Geschäftsführer Reiner Krug Einblick in die Ergebnisse der jüngsten Ökobilanzstudie zu Bodenbelägen im Außenbereich und ordnet sie im Kontext nachhaltigen Bauens ein.
Ökobilanzstudien des DNV: Vom Nischenthema zum Standard
Auf die neue Studie zu Bodenbelägen im Außenbereich folgten bereits Untersuchungen zu Bodenbelägen im Innenraum und zu Fassaden. Reiner Krug blickt zurück:
Reiner Krug: Die erste Ökobilanzstudie vor rund zehn Jahren löste in den Bauministerien zunächst nur verhaltenes Interesse aus. Heute verfügt jedes dieser Ministerien über eine eigene Abteilung für nachhaltiges Bauen. Unsere Studien basieren auf unabhängigen Daten, die wir von Experten, etwa der Universität Stuttgart, erheben lassen. Die Daten sind öffentlich zugänglich – wir machen sie durch unsere Auswertungen nutzbar.
Mit einer eigenen Informationskampagne möchte der DNV das Thema nachhaltiger Naturstein künftig noch stärker in die Öffentlichkeit tragen und Architekten, Verbraucher sowie den Handel ansprechen. Alle Verbandsmitglieder sind eingeladen, diese Kampagne aktiv zu unterstützen.
Die aktuelle Studie zu Bodenbelägen im Außenbereich finden Sie hier: DNV-Nachhaltigkeitsstudie Bodenbeläge außen →
Nachhaltigkeit im Bauwesen: Mehr als nur CO₂
Auf die Frage, was Nachhaltigkeit im Bauwesen konkret bedeutet, verweist Reiner Krug auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. In Deutschland entfallen etwa 30 bis 40 Prozent der CO₂-Emissionen auf den Bausektor.
Reiner Krug: Nachhaltig bauen heißt, den Energie- und Rohstoffverbrauch sowie die Umweltbelastung über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerks möglichst zu reduzieren – von der Gewinnung und Verarbeitung der Baustoffe über die Montage bis hin zur Nutzung und schließlich zum Rückbau oder Recycling der Materialien.
Genau hier setzt Naturstein an: Ein Baustoff, der in der Natur fertig entsteht und nur in Form gebracht werden muss, bringt beste Voraussetzungen für eine gute Ökobilanz mit.
Warum Naturstein beim Thema Nachhaltigkeit vorne liegt
In der aktuellen Studie belegt Naturstein Platz 1 in der Ökobilanz der untersuchten Bodenbeläge. Die Gründe dafür sind eindeutig:
- Das Material entsteht in der Natur und muss lediglich in Form gebracht werden.
- Die Herstellung erfordert vergleichsweise wenig Energie und verursacht entsprechend geringe CO₂-Emissionen.
- Naturstein ist nahezu unbegrenzt nutzbar und äußerst verschleißfest.
- Nach der Nutzung lässt sich Naturstein sehr gut recyclen oder wiederverwenden.
- Besonders dichte Natursteine haben eine geringe Verschmutzungsneigung und sind dadurch pflegeleicht.
Auf die Frage, ob nachhaltiges Bauen teurer sei, antwortet Krug klar:
Reiner Krug: Im Gegenteil. Über den Lebenszyklus eines Gebäudes von durchschnittlich 50 Jahren zahlen sich die geringen Unterhaltskosten und die hohe Verschleißfestigkeit von Naturstein aus. Naturstein übersteht in der Regel die gesamte Nutzungsdauer und kann anschließend wiederverwendet werden – im Gegensatz zu beispielsweise Teppichboden, der oft alle zehn Jahre erneuert werden muss.
Mehr zu unseren eigenen Erfahrungen mit langlebigen Natursteinbelägen lesen Sie auf der Seite Nachhaltigkeit bei NGR →
Importierter Naturstein: Transport, Arbeitsbedingungen und Siegel
Natürlich spielt auch bei importierten Natursteinen die Nachhaltigkeit eine Rolle. Die DNV-Studie weist die zusätzlichen Emissionen durch den Transport ausdrücklich aus.
Ob ein importierter Stein insgesamt nachhaltig ist, hängt für Reiner Krug vor allem an den Arbeitsbedingungen in den Gewinnungs- und Verarbeitungsbetrieben. Das Material und die Abbaumethoden sind weltweit vergleichbar – der Preisvorteil vieler asiatischer Steine ergibt sich häufig aus der Ausbeutung der Arbeiter.
Reiner Krug: Wir empfehlen daher Initiativen wie XertifiX oder Fair Stone, weil diese Organisationen die Produktion in den Gewinnungsländern zuverlässig und anerkannt überwachen.
Genau an diesem Punkt setzt auch das Engagement von NGR an: Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Siegelinitiativen zusammen und achten konsequent auf faire Lieferketten.
Reicht der Naturstein in Deutschland für steigende Nachfrage?
Auf die Frage, ob Deutschland über genügend Natursteinvorkommen verfügt, um den Bedarf zu decken, antwortet Krug mit einem klaren Ja.
Reiner Krug: Vor dem Ersten Weltkrieg war Deutschland einer der größten Natursteinexporteure weltweit. Heute stammt etwa die Hälfte des hier verarbeiteten Natursteins aus Deutschland. Ein kleiner Teil der Importe entfällt auf Gesteine, die wir hier nicht haben, etwa bestimmte Marmore oder tiefschwarze granitähnliche Arten. Der überwiegende Anteil wird jedoch aus Kostengründen importiert, insbesondere nicht zertifizierte Steine.
Notwendig sei das nicht, denn jedes Jahr entstehe in Form von Jura, Muschelkalk, Travertin, Granit, Basaltlava oder Sandstein mehr Naturstein, als verbraucht werde. Naturstein sei kein Massenprodukt und könne nicht mit anderen mineralischen Baustoffen in einen Topf geworfen werden.
Steinbrüche als wertvolle Lebensräume
Früher galten Steinbrüche vielerorts als „Wunden in der Landschaft“. Heute sehen das auch Umweltverbände differenzierter. Der DNV steht mit ihnen in engem Austausch.
Reiner Krug: Ein Steinbruch schafft bereits während des Betriebs Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere, die in intensiv genutzten Kulturlandschaften mit Monokulturen und Spritzmitteln kaum eine Chance haben. Nicht zufällig ist das „Biotop des Jahres“ fast immer ein Steinbruch.
Wird ein Steinbruch nicht ganzjährig betrieben, kann sich dort ein dichter Bewuchs mit hochwertigen Pionierpflanzen entwickeln. Bereits beim Genehmigungsverfahren müssen Rekultivierungspläne und die dafür notwendigen Mittel vorliegen. Häufig reicht es nach der Nutzung, das Gelände sich selbst zu überlassen. In einigen Fällen werden zusätzliche Maßnahmen umgesetzt, etwa das Auslegen von Folien, durch die Teiche entstehen.
Praxisbeispiele zur Verbindung von Naturstein und Biodiversität finden Sie auch in der NGR-Nachhaltigkeitsübersicht →
Green Deal, „Grünes Bauhaus“ und der Blick nach vorn
Zum Abschluss äußert sich Reiner Krug optimistisch zur Zukunft des nachhaltigen Bauens. Mit dem europäischen Green Deal und dem Konzept eines „grünen Bauhauses“ sieht er wichtige Weichenstellungen.
Reiner Krug: Ich habe die begründete Hoffnung, dass der Nachhaltigkeitsgedanke im Bauwesen weiter zunimmt. In den Normen für Bauprodukte werden zunehmend ökologische Daten abgefragt. Und ich glaube, dass auch in anderen Ländern die Einsicht wächst, wie groß die Nachteile durch Umweltzerstörung sind.
Für Planer, Kommunen und Bauherren bedeutet das: Wer heute baut, sollte die Ökobilanz der eingesetzten Materialien genau betrachten. Naturstein kann hier ein wichtiger Baustein sein.
Weitere Informationen rund um nachhaltiges Bauen mit Naturstein
Wer sich intensiver mit Naturstein und Nachhaltigkeit beschäftigen möchte, findet unter anderem hier weiterführende Informationen:
- Bauen mit Naturstein – dauerhaft, elegant, zeitgemäß: Deutscher Natursteinpreis →
- Tipps des Umweltbundesamtes für Beschaffungsverantwortliche: Kompass Nachhaltigkeit →
- Biodiversitätsdatenbank des Industrieverbands Steine und Erden: Biodiversitätsdatenbank →
Wie NGR Nachhaltigkeit ganz konkret in Sortiment, Regionaloffensive und Lieferketten umsetzt, lesen Sie auf unserer Seite Nachhaltigkeit bei NGR Natursteine →
